Learning Analytics und Didaktik  – Jonas Leschke über die Facetten von Projektarbeit und die Bedeutung der Didaktik

Was sind die Besonderheiten von Projektarbeit? Welche Aufgaben gehören dazu? Und welche Rolle spielt die Didaktik bei Learning Analytics und im Projekt? Diesen und anderen Fragen gehen wir in der heutigen Ausgabe des Projekttagebuchs nach.

KI:edu.nrw ist ein Kooperationsprojekt der RUB und der RWTH Aachen. Hier sondiert ein interdisziplinäres Projektteam unter anderem, unter welchen Voraussetzungen ein Einsatz von KI-gestützten Lerndatenanalysen (Learning Analytics) zu einer besseren Hochschullehre beitragen kann.

In unseren Projekttagebüchern geben wir Einblick in den aktuellen Projektstand der verschiedenen Teilprojekte. Neben diversen Fakultätsprojekten, bspw. aus der Sport- oder Erziehungswissenschaft, werden im Projekt universell geltende Querschnittsthemen bearbeitet. Dazu zählen u. a. die Bereiche Studienberatung, Datenschutz, Ethik, IT – und die Didaktik.

In dieser Ausgabe der Projekttagebücher berichtet Jonas Leschke, Koordinator des Projekts und Mitarbeiter für das Teilprojekt Didaktik über die Bedeutung von didaktischen Fragen für den Einsatz von Learning Analytics. Nach seinem Lehramtsstudium für die Fächer und Fachrichtungen Maschinenbau und Mathematik, hat Jonas Leschke in der Stabsstelle Bildungsinnovationen und Hochschuldidaktik an der Universität Paderborn gearbeitet. Im Anschluss hat er an der Bergischen Universität Wuppertal ein projektbasiertes Laborkonzept für die gewerblich-technischen Lehramtsstudiengänge entwickelt, bevor er 2021 Mitarbeiter im Projekt KI:edu.nrw wurde.

Jonas, du bist Ansprechpartner für das Teilprojekt Didaktik und Koordinator des Projekts – was sind deine Aufgaben in den beiden Bereichen?

Hallo Steffi. Ja, genau, ich habe unterschiedliche Aufgaben im Projekt. Einerseits koordiniere ich das Projekt, was im Grunde bedeutet, dass ich versuche den Kolleg*innen in den Teilprojekten bestmögliche Arbeitsbedingungen zu schaffen. Das ist aufgrund der Unterschiedlichkeit der Teilprojekte und den damit verbundenen verschiedenen Bedarfen teilweise eine Herausforderung. Es kommen auch regelmäßig Anfragen von Personen außerhalb des Projekts an mich heran, die ich erst einmal verstehen muss und dann häufig an die jeweilige Expert*in im Projekt verweise. Als Koordinator bin ich dann also eine Art vernetzende und falls notwendig auch Orientierung gebende Schnittstelle.

In meiner Rolle im Teilprojekt Didaktik bin ich dafür da die didaktischen Fragestellungen kollaborativ mit den Teilprojekten zu identifizieren und mögliche Lösungen für diese Fragen zu entwickeln. Allerdings ist in den Fakultätsprojekten dahingehend auch selbst ganz viel Expertise vorhanden. Didaktische Fragen ergeben sich im Kontext von Learning Analytics aber nicht nur in der Lehrpraxis, sondern bspw. auch bei der Entwicklung der technischen Systeme oder in Szenarien, die für die datenschutzrechtliche Bewertung notwendig sind. Im Projekt sollte Learning Analytics ja nie zum Selbstzweck sondiert werden, sondern um das Lehren und Lernen an Hochschulen zu unterstützen.

Im Rahmen des Projekts haben wir auch mit Lehrenden und Studierenden gesprochen, um herauszufinden, wo das didaktische Potenzial besonders hoch eingeschätzt wird und ob sich dies ggf. in verschiedenen Fächern unterscheidet. Dabei haben wir erfahren, dass die Bedarfe tatsächlich unterschiedlich zu sein scheinen.

In welchen universitären Fachbereichen siehst du das größte Einsatzpotenzial von Learning Analytics im Hinblick auf die Lehr- und Lernunterstützung und warum?

Hm, das ist eine gute Frage. Im Rahmen des Projekts haben wir auch mit Lehrenden und Studierenden gesprochen, um herauszufinden, wo das didaktische Potenzial besonders hoch eingeschätzt wird und ob sich dies ggf. in verschiedenen Fächern unterscheidet. Dabei haben wir erfahren, dass die Bedarfe tatsächlich unterschiedlich zu sein scheinen. So berichteten Lehrende aus Fachbereichen mit einem klassischen Grundlagenstudium und damit häufig mehr Lehrveranstaltungen mit großen Studierendenzahlen, dass sie sich durch ein Learning-Analytics-System mehr individuelle Betreuung erhoffen würden. Lehrende aus Fachbereichen, die schon früh im Studium mit dem Wahlpflichtbereich beginnen und dadurch häufig mehr kleinere Veranstaltungen haben, wünschten sich mehr Informationen über das Vorwissen der Studierenden. Letztendlich haben aber alle Fachbereiche Einsatzmöglichkeiten beschrieben, in denen sie durch ein Learning-Analytics-System Unterstützung für sich und die Lernenden vermuten.
Die Studierenden, mit denen wir gesprochen haben, waren ebenfalls bereit ihre Lerndaten zur Verfügung zu stellen, sofern die Analysen die Qualität der Lehre erhöhen und die Studierenden individuelle Rückmeldungen erhalten. Diese Bereitschaft hat sich zumindest nicht offensichtlich in unterschiedlichen Fachbereichen unterschieden.

Auf welche Herausforderungen bist du im Projektverlauf gestoßen?

Viele Herausforderungen in einem interdisziplinären Projekt entstehen allein durch die Anlage. Durch die vielen verschiedenen Perspektiven und damit verbundenen Sozialisationen in den Fächern, entsteht natürlich ein Spannungsfeld. Zu Beginn mussten wir überhaupt erst herausfinden, wie wir eine gemeinsame Sprache sprechen. Auch im weiteren Verlauf kam es regelmäßig zu Diskussionen, in denen wir einen Kompromiss für alle Seiten finden mussten. Beispielsweise haben wir darüber diskutiert, ob Lehrende einen Hinweis erhalten sollten, falls einzelne Studierende drohen durch den Kurs zu fallen. Dies wäre aber datenschutzrechtlich problematisch. Eine Lösung kann hier sein, dass die Studierenden einen entsprechenden Hinweis bekommen, der wiederum nicht fehlinterpretiert werden können darf, sodass sich eine Schnittmenge zur Data Literacy ergibt. Diese Aushandlungen habe ich persönlich, wie auch für die Projektergebnisse allerdings als sehr wertvoll empfunden und würde immer dazu motivieren, Projekte in dieser Form anzulegen.

Die erste Phase des Projekts neigt sich dem Ende zu. Welche Aufgaben stehen noch an und worauf freust du dich besonders?

Es ist schon immer verrückt. Das Ende befristeter Projekte ist ja nun wirklich gut planbar, aber es ist wie mit Weihnachten, das kommt für mich auch jedes Jahr wieder überraschend. Aus diesem Grund stehen auch jetzt noch ein paar Aufgaben an, wie bspw. die systematische Verfügbarmachung unserer Projekterfahrungen für andere Hochschulen in einem Sammelband. Hier muss ich auch selbst noch ein paar Dinge schreiben und als Mitherausgeber des Bandes die letzten Verlags- und Autor*innen-Absprachen treffen. Natürlich steht auch noch der formale Projektabschluss mit dem Abschlussbericht für den Projektträger an. Das klingt jetzt vielleicht wenig begeistert, aber eigentlich ist es doch auch eine tolle Phase, um auf das Geschaffte zurückzuschauen. Dies machen wir auch noch einmal bei unserem Projektabschluss. Daher mache ich so etwas wirklich gerne.

Was war dein persönliches Highlight im Projekt?

Mein persönliches Highlight war die erste Learning AID-Tagung im Jahr 2022. KI und Learning Analytics war etwas, mit dem insbesondere Forschende aus dem Bereich etwas anfangen konnten und trotzdem haben sich über 140 Personen für die Tagung angemeldet. Und davon waren auch noch sehr viele aus der Praxis, wie Lehrende oder Personen aus lehrunterstützenden Einrichtungen. Das hat mich wirklich überwältigt und ich habe mich gefreut, dass die Workshops der Kolleg*innen ein so großes Interesse erzeugt haben. Natürlich war es umso schöner, dass viele dieser Teilnehmenden auch an der zweiten Learning AID teilgenommen haben. Das ist natürlich ein tolles Feedback.

Wie sähe (d)ein ideales Projektergebnis aus?

Wir sind als Sondierungsprojekt gefördert und ich denke, dass wir wirklich sehr viele Erfahrungen gesammelt haben. Über diese haben wir bereits während des Projekts in verschiedenen Gremien und Vernetzungsformaten wie der Learning AID-Tagung berichtet und werden sie auch mit dem Sammelband für andere Hochschulen verfügbar machen. Ich freue mich besonders, dass das Projekt auch konkrete Lösungen hervorbringt, wie eine technische Infrastruktur für Learning Analytics, verschiedene Gutachten und auch wichtige Befragungsdaten, durch die die praktische Anwendung entsprechender Tools untermauert und legitimiert werden können. Dass die Aufmerksamkeit um das Projekt in den letzten 1,5 Jahren aus Nordrhein-Westfalen herausgewachsen ist und bundesweite Aufmerksamkeit erfährt, spricht natürlich absolut für die Arbeit der Kolleg*innen.

Ich möchte mich daher an dieser Stelle auch gerne bei meinen Kolleg*innen bedanken, weil ihre tolle Arbeit und produktive Zusammenarbeit ein großes Geschenk für mich als Projektkoordinator war. Ich habe sehr viel durch die Expertise der Kolleg*innen gelernt. Ich danke Euch dafür!

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