Mit KI:edu.nrw Beratungsangebote noch stärker an den Studierenden ausrichten – Jessica Posenau über das Teilprojekt Studienberatung

Wie kann die Studienberatung Studierende noch besser erreichen? Wie können Studierende frühzeitig auf Unterstützungsangebote hingewiesen werden? Und können Studierendendaten die Beratung um eine weitere Facette bereichern? Dies sind nur einige der Fragen, mit denen sich Jessica Posenau im Rahmen des KI:edu.nrw-Teilprojekts Studienberatung beschäftigt.

Im Rahmen des landesgeförderten Projektes KI:edu.nrw sondiert ein interdisziplinäres Projektteam, unter welchen Voraussetzungen ein Einsatz von Learning Analytics und KI-basierten Methoden zu einer besseren Hochschullehre beitragen kann. Neben diversen Fakultätsprojekten, bspw. aus dem Maschinenbau oder der Erziehungswissenschaft, werden im Projekt universell geltende Querschnittsthemen bearbeitet. Dazu zählen u. a. die Bereiche IT, Datenschutz, Ethik, Didaktik – und die Studienberatung.

In dieser Ausgabe unserer Projekttagebücher spricht Jessica Posenau, M. A., von der Zentralen Studienberatung der Ruhr-Universität Bochum (RUB) über die Chancen, die das Projekt KI:edu.nrw für die Beratung an den Hochschulen bieten kann. Im Interview verrät sie uns, wie ihre Arbeit im Teilprojekt Studienberatung aussieht, wie Datenanalysen und Künstliche Intelligenz Beratungsangebote für Studierende verbessern können und welchen Stellenwert das Thema Data Literacy für die Beratung hat.

Mit KI:edu.nrw haben wir die Chance, die Angebote der Beratungseinrichtungen noch stärker an den Bedarfen der Studierenden auszurichten.

Jessica, dein Teilprojekt ist die Studienberatung – kannst du euer Vorhaben sowie die Zielsetzung erklären?

Im Kern ist unser Ziel, von Anfang an mit dabei zu sein, wenn Künstliche Intelligenz und Learning Analytics-Methoden an der Hochschule entwickelt werden. Mit KI:edu.nrw haben wir die Chance, die Angebote der Beratungseinrichtungen noch stärker an den Bedarfen der Studierenden auszurichten und Studierende unmittelbar zum Zeitpunkt des Bedarfs auf die passenden Angebote hinzuweisen – vielleicht sogar schon, wenn sich dieser abzeichnen könnte.

Die Studienberatung hat ein sehr breites Angebot an Unterstützungsmöglichkeiten. Wir würden uns wünschen, diese noch besser bei den Studierenden platzieren zu können. In unseren Workshops machen wir häufig die Erfahrung, dass Studierende sehr spät von unseren Angeboten erfahren. Die zentrale Frage ist also: Wie können wir die Studierenden besser erreichen? Und: Können Studierendendaten Beratung um eine weitere Facette bereichern? Dazu können Daten im Rahmen des Studienverlaufs dienlich sein. Beratungsbedarfe entstehen entlang des gesamten Student Lifecycles. Dieser Zyklus beginnt bereits bei der Studienorientierung und schließt ab, wenn Studierende den Status eines Alumnus annehmen.

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Weitere Informationen zur Abteilung Student Lifecycle Services der RUB finden Sie hier: https://einrichtungen.ruhr-uni-bochum.de/de/student-lifecycle-services

Ein weiteres Ziel ist es, Methoden zu entwickeln, mit deren Hilfe die Verknüpfung bestehender Daten sowie die Erhebung zusätzlicher Daten und deren Analyse die Erkenntnisse über Herausforderungen und Probleme im Studium geschärft werden können.

Dies soll zu einer weiteren Professionalisierung der Beratungsprozesse beitragen und es ermöglichen, Angebote im Austausch mit Fachstudienberatungen möglichst stark zu individualisieren.

Stichwort Studierendendaten: Spielen bei euch Lerndatenanalysen eine Rolle? Welchen Nutzen können Learning Analytics für die Beratung mit sich bringen?

In der Praxis spielen Lerndatenanalysen bei uns noch keine Rolle, da wir in der Beratung aktuell andere Daten betrachten. Lerndatenanalysen können bei Schwierigkeiten im Studium aber grundsätzlich ein Anknüpfungspunkt für Kommunikation sein, um mit Ratsuchenden direkt ins Gespräch zu kommen. Interessant sind diesbezüglich nicht nur Lerndaten, sondern auch Studienverlaufsdaten. Dies ermöglicht zum einen den Blick auf einzelne Studierende, zum anderen aber auch auf ganze Studiengänge. So können bspw. Probleme identifiziert werden, die das gesamte Studium betreffen. Diese Erkenntnisse sind nicht nur für uns in der Beratung von Interesse, sondern auch für andere Stellen an der Uni, wenn es um die Qualität der Lehre geht.

Was sind deine konkreten Aufgaben? Was ist der aktuelle Arbeitsstand?

Eine meiner Aufgaben ist, im Projekt immer wieder darauf hinzuweisen, wie wichtig die Beratung von Studierenden ist und an welchen Stellen diese mitgedacht werden muss. Das bedeutet konkret, die Schnittstellen der Beratung in den unterschiedlichen Teilprojekten zu identifizieren, sichtbar zu machen und darüber nachzudenken, an welcher Stelle Beratung anknüpfen kann. Dafür müssen zunächst einige Voraussetzungen erfüllt werden, sowohl auf struktureller Ebene als auch auf der Ebene einer gemeinsamen inhaltlichen Diskussionsgrundlage von Begrifflichkeiten wie z. B. Studienerfolg. Diese sondieren wir im Projekt. So ist es bspw. erst einmal wichtig zu wissen, welche Daten es überhaupt gibt und welche dieser Daten für uns interessante und nutzbare Erkenntnisse liefern können.

Von Anfang an war es uns ein wichtiges Anliegen, den Begriff des Studienerfolgs differenziert zu beleuchten. Denn letztlich sollen die entwickelten Tools Studierende in ihrem Studienerfolg unterstützen. Aber was bedeutet Studienerfolg überhaupt? Und meinen wir im Projekt mit den vielfältigen Perspektiven eigentlich das Gleiche, wenn wir von Studierfolg sprechen? Eine Person, die auf dem Papier ihr Studium erfolgreich abgeschlossen hat, hatte vielleicht dennoch mit starken Herausforderungen im Studium zu kämpfen und würde trotz Abschluss in Regelstudienzeit mit guten Noten vielleicht selbst nicht sagen, dass die Bedingungen unter denen dieses Ergebnis zustande gekommen ist, für sie oder ihn mit Erfolg und Zufriedenheit einhergehen. Diese Informationen können uns Studierendendaten nicht liefern. Dazu haben wir eine Arbeitsgruppe gebildet, in der wir uns dieser Frage kritisch nähern.

Wie müssen wir die Daten framen und interpretieren, um keine falschen Schlüsse zu ziehen? Hier geht es um das Thema Data Literacy, das nicht nur für die Studierenden, sondern auch für Berater:innen eine wichtige Schlüsselqualifikation darstellt.

Welche Schnittstellen mit anderen Teilprojekten konntet ihr bereits identifizieren?

In der Beratung diskutieren wir sehr intensiv die Frage, ob wir, nur weil wir es können, bestimmte Daten auch nutzen sollten und an welchen Stellen dies überhaupt sinnvoll ist. Dabei spielen besonders der Datenschutz und die Ethik eine wichtige Rolle. Deshalb ist es so grandios, dass KI:edu.nrw interdisziplinär so in die Breite geht und wir gemeinsam über diese elementaren Fragen nachdenken können.

Ein Grundpfeiler der Beratung ist nämlich die Unvoreingenommenheit. Wenn man sich vor einem Beratungssetting mit Daten eines Studierenden beschäftigt, führt dies dazu, dass ich bereits mit einem bestimmten Bild über die Person in die Beratung gehe. Wollen wir das? Und wenn wir diese Frage mit ja beantworten – weil Daten uns natürlich auch viele hilfreiche Informationen liefern können – dann müssen wir uns fragen: Was müssen wir über die Entstehung der Daten wissen, damit wir diese richtig in die Beratung einbinden können? Und wie müssen wir die Daten framen und interpretieren, um keine falschen Schlüsse zu ziehen? Hier geht es also um das Thema Data Literacy, das nicht nur für die Studierenden, sondern auch für Berater:innen eine wichtige Schlüsselqualifikation darstellt.

Ein kompetenter Umgang mit Daten spielt auch bei der Entwicklung von Dashboards eine übergeordnete Rolle. Auch an diesem Thema arbeiten wir im Rahmen von KI:edu.nrw: Wie werden die Daten der Studierenden aufbereitet und präsentiert? Hier ist es vorab wichtig zu wissen, wie diese Daten entstanden sind, was sie einem sagen können, aber wo auch die Grenzen der Aussagekraft verlaufen.

Tipp der Redaktion
Wenn Sie mehr über Dashboards erfahren wollen, finden Sie hier ein Interview mit Phillip Dittmann vom Mathematik-Teilprojekt. In unserem Blog erklärt er u. a., wie aus Lerndaten Dashboards entstehen können und wie weit sein Teilprojekt mit der Entwicklung eines solchen Systems ist: https://ki-edu-nrw.ruhr-uni-bochum.de/kiedu-nrw-projekttagebuch-nr-2/

Ihr bezeichnet euch selbst als „Transferpartner“ – kannst du dies genauer erläutern? Was bedeutet das für das Gesamtprojekt, aber auch für die Teilprojekte?

Transferpartner zu sein, bedeutet für uns die Sichtweise der Beratung in das Gesamtprojekt KI:edu.nrw einfließen zu lassen und Erkenntnisse wieder zurück in die Abteilung Student Lifecycle zu spiegeln. Wir betrachten Studierende, die zu uns in die Beratung kommen, immer ganzheitlich. Anlässe der Beratung könnten bspw. ein Fachwechsel oder Probleme im Studium sein. Ratsuchende teilen mit uns Informationen, die weit über Lerndaten hinausgehen: Wie ist die familiäre Situation? Habe ich z. B. Care-Aufgaben oder einen Nebenjob, der mich stark fordert? Vielleicht führt auch eine Erkrankung zu Verzögerungen oder zu Problemen im Studium oder man findet in der neuen Stadt keinen Anschluss.

Neben Learning Analytics nimmt KI:edu.nrw auch Künstliche Intelligenz in der Hochschulbildung in den Blick: Habt ihr bereits Erfahrungen mit dem Einsatz von KI-Tools sammeln können? Wenn ja, wie sehen die Erfahrungen aus?

An der RUB ist seit Juni 2022 ein KI-basierter Chatbot online. Dieser steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Derzeit machen wir im Rahmen der Studienberatung erste Erfahrungen mit einem Chatbot im First-Level-Support. Der Bot wird also keine Beratung übernehmen, sondern dient eher als Informationstool, das bei weiterführenden Fragen im besten Fall auf die passende Beratungseinheit hinweist. Dies kann eine weitere Möglichkeit sein, um mit Ratsuchenden ins Gespräch zu kommen.

Gut zu wissen!
Studierende der Ruhr-Universität Bochum und Studieninteressierte begegnen auf ausgewählten Websites der RUB dem im letzten Jahr implementierten Chatbot. Der Bot beantwortet Fragen zur Studienorganisation und allen weiteren Themen, zu denen er bereits etwas gelernt hat. Weitere Infos gibt es hier: https://studium.ruhr-uni-bochum.de/de/ein-chatbot-startet-sein-rub-studium

Die interdisziplinäre Zusammensetzung des Gesamtprojekts ist ein generelles Highlight für mich. Das ist ein unglaublicher Mehrwert und bereichert meine Arbeit in der Abteilung Student Lifecycle total.

Was war dein persönliches Projekt-Highlight?

Das war zum einen die Learning AID 2022 – hier hatte ich die Möglichkeit, in Präsenz mit Berater:innen aus ganz Deutschland über die Fragestellungen der Beratung nachzudenken.

Zum anderen ist die interdisziplinäre Zusammensetzung des Gesamtprojekts ein generelles Highlight für mich. Das ist ein unglaublicher Mehrwert und bereichert meine Arbeit in der Abteilung Student Lifecycle total. Durch KI:edu.nrw habe ich die Möglichkeit, über den Tellerrand der eigenen kleinen Organisationseinheit hinweg zu schauen und die Uni als Ganzes wahrzunehmen. So kann ich über Themen nachdenken, die eben nicht nur im Kleinen, sondern auf der Metaebene eine Rolle spielen

Was sind die nächsten konkreten Schritte in eurem Projekt?

Im Sommersemester 2023 gehen viele der Praxisvorhaben der KI:edu.nrw-Teilprojekte an den Start. Uns geht es dann konkret darum, mit den Fakultätsprojekten die Anbindung an die Studienberatung zu konkretisieren. Also wie kann z. B. ein Dashboard, das u. a. im Mathematik-Teilprojekt entsteht, die Beratung ein- und anbinden? Dazu müssen wir intern über weitere Indikatoren nachdenken: An welchen Stellen wollen wir Beratung anknüpfen? Bei welchen Fragestellungen, bei welchen Problemstellungen kann das sinnvoll sein?

Außerdem steht der Kompetenzaufbau bei Berater:innen zum Thema Data Literacy auf unserer Agenda. Um darauf aufmerksam zu machen, nehme ich verschiedene Termine wahr, in denen ich das Projekt, aber auch den Punkt Data Literacy vorstelle. So versuchen wir, Vernetzung zu schaffen und die Leute für die im Projekt verankerten Themen zu sensibilisieren. Denn es steht außer Frage, dass wir uns auf einen Umgang mit Studierendendaten oder auf die Anwendung von KI-Tools vorbereiten müssen. Die Zeit bis dahin sollten wir nutzen, um uns als Berater:innen entsprechende Kompetenzen anzueignen. Auch mit Fachberater:innen möchten wir uns vernetzen, weil auch die Ein- und Anbindung an die Fachberatung ein ganz wichtiger Baustein ist, der zukünftig mitgedacht werden muss.

Was erhofft ihr euch am Ende eures Projektes? Wie würde ein ideales Ergebnis aussehen?

Ich würde mich freuen, wenn wir als Berater:innen ein besseres Bild davon haben, wie und an welchen Stellen Datenanalysen zukünftig einen Mehrwert für Ratsuchende darstellen können. Ebenso erhoffen wir uns, dass wir durch KI:edu.nrw ein besseres Verständnis davon bekommen, an welchen Stellen überhaupt Studierendendaten entstehen und welcher Natur diese Daten sind.

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