Die datenbasierte Lernunterstützung im Rahmen des Teilprojekts Erziehungswissenschaft – Meike Osinski über ihre Arbeit bei KI:edu.nrw

Lerndatenanalysen, also Learning Analytics, haben u. a. das Potenzial, Studierende zu unterstützen, das eigene Lernen zu reflektieren und ihr Lernverhalten anzupassen. Meike Osinski von KI:edu.nrw zeigt am Beispiel einer datenbasierten Unterstützung, die im Rahmen des Fakultätsprojekts Erziehungswissenschaft entwickelt wurde, wie man dieses Potenzial in der Hochschullehre nutzen kann und erläutert, welche Rolle dabei das selbstregulierte Lernen einnimmt.

KI:edu.nrw ist ein Kooperationsprojekt der RUB und der RWTH Aachen. Hier sondiert ein interdisziplinäres Projektteam, unter welchen Voraussetzungen ein Einsatz von Learning Analytics und KI-basierten Methoden zu einer besseren Hochschullehre beitragen kann.

Im Rahmen unserer Projekttagebücher haben wir diesmal mit Meike Osinski, M. A., vom Teilprojekt Erziehungswissenschaft gesprochen. In unserem Interview beleuchtet sie das Projektvorhaben, spricht über ihre aktuellen Aufgaben und verrät uns ihre persönlichen Highlights im bisherigen Projektverlauf.

Meike, worum geht es in eurem Teilprojekt?

Ziel unseres Teilprojekts ist es zu untersuchen, ob bzw. wie wir mithilfe von Learning Analytics das Lernen und Lehren am Institut für Erziehungswissenschaft unterstützen können. Darüber hinaus möchten wir auch über die Grenzen unseres Instituts hinweg einen Beitrag zur Beantwortung dieser Fragen in anderen Fächern und allgemein im Bereich der Hochschullehre leisten.

Dabei beantworten wir Fragen, die mit unserem Projektziel verbunden sind, einerseits auf Basis von bereits vorliegenden empirischen Forschungsergebnissen aus den Bereichen Learning Analytics und Adaptive Bildungstechnologien. Andererseits führen wir an unserem Institut Workshops und Befragungen durch, auf deren Grundlage wir ein Konzept für eine datenbasierte Lernunterstützung didaktisch und technisch entwickeln.

Mit unserer datenbasierten Lernunterstützung möchten wir die Selbstregulation der Studierenden fördern – und zwar zugeschnitten auf deren individuellen Unterstützungsbedarf.

Wie geht ihr bei der Verfolgung eures Projektziels praktisch vor?

Uns ist wichtig, Studierende und Lehrende unseres Instituts bei der Konzeptentwicklung mit ins Boot zu holen. Denn diese sind für unser Projekt die zentralen Zielgruppen. Daher führen wir qualitative und quantitative Befragungen mit diesen beiden Gruppen durch. Hierdurch möchten wir mehr über die konkreten Bedarfe, Wünsche, Erwartungen und Vorbehalte in Bezug auf den Einsatz von Learning Analytics erfahren. Unser Anspruch ist, ein Konzept zu entwickeln, das für beide Zielgruppen gewinnbringend ist.

Im Wintersemester 22/23 haben wir eine erste Version der datenbasierten Unterstützung in das Statistik-Modul im B. A.-Studiengang Erziehungswissenschaft implementiert. Dabei haben wir eng mit der Modulverantwortlichen Dr. Katja Serova zusammengearbeitet. Mit diesem Vorhaben setzen wir an zwei Achillesfersen des erziehungswissenschaftlichen Studiums an: dem Fach Statistik und dem selbstregulierten Lernen.

Mit unserer datenbasierten Lernunterstützung möchten wir die Selbstregulation der Studierenden fördern – und zwar zugeschnitten auf deren individuellen Unterstützungsbedarf. Um im Studium auch schwierige oder unbeliebte Inhalte zu meistern, gilt das selbstregulierte Lernen als eine Schlüsselkompetenz. Und es ist kein großes Geheimnis, dass Statistik für viele Studierende eine große Herausforderung darstellt.

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Weiterführende Informationen zum bestehenden Lehr-Lernkonzept des Statistikmoduls und seiner Wirksamkeit finden Sie unter: news.rub.de/studium/2016-12-20-erfolgreiche-lehre-statistik-und-gute-laune-eine-unmoegliche-kombination

Learning Analytics sind demnach ein großer Bestandteil eures Projekts – kannst du den Einsatz genauer erläutern?

Ausgangspunkt unserer Lernunterstützung im Statistik-Modul ist die Messung individueller Selbstregulationskompetenzen der Studierenden zu Beginn des Moduls. Dafür nutzen wir den bekannten und validierten Fragebogen „Motivated Strategies for Learning Questionaire“ (Pintrich et al., 1991). Mithilfe der erhobenen Studierendendaten können wir schauen, wo Studierende im Hinblick auf das selbstregulierte Lernen Unterstützung benötigen. Hier unterscheiden wir zwischen einem Unterstützungsbedarf auf motivationaler sowie auf planerischer und organisatorischer, d. h. metakognitiver Ebene. Darauf aufbauend bieten wir den Studierenden eine auf ihre individuellen Bedarfe zugeschnittene Lernunterstützung in Form von Prompts an, also textuelle Hinweise, Reflexionsfragen und Handlungsempfehlungen. Diese Prompts werden den Studierenden im Moodle-Kurs angezeigt – mit dem Ziel, sie zur Reflexion und Regulation des eigenen Lernverhaltens anzuregen. So erhalten z. B. Studierende, für die zu Anfang des Semesters ein Unterstützungsbedarf auf metakognitiver Ebene ermittelt wurde, Prompts, die darauf abzielen, Kompetenzen hinsichtlich der Planung und Organisation ihres Lernens zu fördern.

Durch unsere Lernunterstützung sollten Studierende also ihre Selbstregulationskompetenzen weiterentwickeln. Um einen Vorher-Nachher-Vergleich anstellen und die Wirksamkeit unserer Unterstützung überprüfen zu können, haben die Studierenden am Ende des Semesters denselben Fragebogen erneut ausgefüllt. Neben den Fragen zur Erfassung der Selbstregulationskompetenzen befragten wir die Studierenden auch dazu, wie sie unsere eingeblendeten Prompts wahrgenommen und inwiefern sie die Handlungsempfehlungen umgesetzt haben. Sollten sich die Studierenden bspw. durch die zusätzlichen Informationen belastet gefühlt haben, könnte dies Einfluss auf die generelle Wirksamkeit unserer Maßnahmen und letztlich auch auf die Entwicklung der Selbstregulationskompetenzen haben.

Lerndatenanalysen haben das Potenzial, Studierende darin zu unterstützen, ihr eigenes Lernen zu reflektieren und darauf aufbauend ihr Lernverhalten bei Bedarf anzupassen.

Welchen Nutzen haben für euch Lerndatenanalysen? Welche Chancen schlummern hier?

Lerndatenanalysen haben aus unserer Sicht das Potenzial, Studierende darin zu unterstützen, ihr eigenes Lernen zu reflektieren und darauf aufbauend ihr Lernverhalten bei Bedarf anzupassen. Damit sind wir dann auch schon wieder beim selbstregulierten Lernen, das unseres Erachtens sehr gut durch den Einsatz von Learning Analytics gefördert werden kann.

Zudem bieten Learning Analytics die Möglichkeit, Lehrende zu unterstützen und zu entlasten: Durch eine automatisierte Analyse und Aufbereitung von Lerndaten können z. B. Schwierigkeiten der Studierenden einfacher identifiziert werden. Lehrende können so besser intervenieren und die eigene Lehre bedarfsgerecht weiterentwickeln.

Was sind deine aktuellen Aufgaben? Woran arbeitest du konkret?

Gemeinsam mit meiner Kollegin Anna Radtke begleite ich das Statistik-Modul im Hintergrund. Wir sind Ansprechpartnerinnen für die Studierenden und die Dozierenden und stehen für sämtliche Fragen zu unserer implementierten Unterstützung zur Verfügung. Zudem haben wir gerade eine Abschlussbefragung der Studierenden des Statistik-Moduls zur Evaluation unseres Unterstützungskonzepts durchgeführt. Nun geht es an die Analysen, die uns – so hoffen wir – Aufschluss über die Wirksamkeit der Lernunterstützung geben werden.

Außerdem beginnen wir damit, eine Lehrendenbefragung zu konzipieren, die im Sommersemester 2023 umgesetzt werden soll. Dies wird eine Befragung per Online-Fragebogen sein, um möglichst viele Lehrende unseres Instituts zu erreichen.

Eine Aufgabe, die uns das gesamte Projekt über begleitet, ist der Blick in die Forschung zu Learning Analytics, zu Bildungstechnologien und zu Künstlicher Intelligenz im Bildungsbereich. Damit einher geht die Reflexion und Einordnung unseres Vorhabens in diesen Feldern.

Bei euch im Teilprojekt spielen verschiedene Befragungen eine übergeordnete Rolle. Was genau ist hier das Ziel?

Unser Anspruch ist es, ein Learning Analytics-Konzept zu entwickeln, das tatsächlich eingesetzt wird. Wir möchten nicht im stillen Kämmerlein irgendein Konzept ausfeilen, das dann für die Praxis ungeeignet ist. Daher ist es für uns wichtig, nicht an den Bedarfen von Studierenden und Lehrenden vorbei zu arbeiten, sondern diese beiden Gruppen aktiv miteinzubeziehen. Auf der anderen Seite möchten wir mehr über die Vorbehalte und Sorgen erfahren, die die beiden Zielgruppen mit dem Einsatz von Learning Analytics verbinden. Wir erachten es als wichtig, diese Vorbehalte für den Praxiseinsatz ernst zu nehmen und in unserem Konzept zu berücksichtigen.

Um ein Beispiel zu nennen: Mit Studierenden der Erziehungswissenschaft haben wir bereits eine Befragung durchgeführt. Ein Ergebnis, das auch in unser Konzept für das Statistikmodul eingeflossen ist, war, dass sich die Befragten mehrheitlich gegen einen Vergleich mit anderen Studierenden beim Einsatz von Learning Analytics ausgesprochen haben. Die Befragten möchten also eher erfahren, wie sie sich über die Zeit hinweg in ihrem Lernen entwickelt haben, und eher nicht, wie sie im Vergleich zu ihren Kommiliton:innen stehen. Mit dem sozialen Vergleich verbindet der Großteil der von uns befragten Studierenden einen belastenden Leistungsdruck und negative Emotionen.

Gibt es Gemeinsamkeiten mit anderen Teilprojekten? Wie sieht die interdisziplinäre Zusammenarbeit aus?

Die meisten Parallelen würde ich zum Teilprojekt Mathematik ziehen. Auch die Mathematiker:innen haben Befragungen durchgeführt und adressieren – wenn auch auf andere Weise – das selbstregulierte Lernen als Schlüsselkompetenz. An dieser Stelle konnten wir unsere Erfahrungen austauschen und voneinander profitieren. Ansonsten sind wir mit den Querschnittsprojekten im Austausch. So reflektieren wir z. B. unser Vorhaben immer wieder aus ethischer Perspektive. Mit dem IT-Teilprojekt schauen wir außerdem, wie wir unsere Unterstützung automatisieren und technisch einwandfrei umsetzen können. Dann sind wir mit der Studienberatung in engem Kontakt, da ja auch hier die Förderung von selbstreguliertem Lernen eine zentrale Rolle spielt.

Im Gesamtprojekt KI:edu.nrw schätze ich die enge Zusammenarbeit mit ganz unterschiedlichen Menschen aus den verschiedensten Disziplinen. Das macht das Projekt auch so besonders.

Was war dein persönliches Projekt-Highlight?

In unserem Teilprojekt waren die Interviews mit Studierenden ein Highlight für mich, weil diese für unser Vorhaben so erkenntnisreich waren. Es war richtungsweisend, mit den Personen ins Gespräch zu gehen, die wir primär unterstützen möchten.

Ein weiteres Highlight – sowohl auf Teilprojekt- als auch auf Gesamtprojektebene – ist die Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen Projektbeteiligten. In unserem Teilprojekt betrifft das die Arbeit innerhalb unseres Teilprojektteams, bestehend aus Prof. Dr. Maren Scheffel, Prof. Dr. Nikol Rummel, Anna Radtke und mir, sowie die Zusammenarbeit mit Dr. Katja Serova und ihrem Team. Im Gesamtprojekt KI:edu.nrw schätze ich die enge Zusammenarbeit mit ganz unterschiedlichen Menschen aus den verschiedensten Disziplinen. Ich glaube, das macht das Projekt auch so besonders.

Und ein sehr schönes Highlight war im letzten Jahr die Learning AID: ein ganzer Tag mit spannenden Themen, anregenden Diskussionen und interessanten Menschen.

Gut zu wissen!
In diesem Jahr findet am 28. und 29. August 2023 die zweite Learning AID an der RUB statt – die Tagung zu Learning Analytics, Artificial Intelligence und Data Mining in der Hochschulbildung. Anmeldungen sind ab dem 16. Mai 2023 unter https://www.conftool.org/learning-aid-2023/ möglich. Alle weiteren Infos zur Veranstaltung finden Sie hier.

Blicken wir noch kurz in die Zukunft: Was wäre euer ideales Ergebnis?

Wenn wir unsere Zielsetzung in den Blick nehmen, erhoffen wir uns, sowohl einen Beitrag zur Beantwortung der Frage zu leisten, ob und wie Learning Analytics Studierende in ihrem Lernen mit Fokus auf Selbstregulation unterstützen können – unabhängig davon, wie die Antwort auf diese Frage ausfällt. Denn auch wenn sich z. B. zeigt, dass unsere Lernunterstützung, so wie wir sie jetzt entwickelt haben, nicht die gewünschte Wirkung erzielte, ist das ebenfalls eine Erkenntnis, die reflektiert werden muss und für die Entwicklung zukünftiger alternativer Unterstützungskonzepte sicherlich gewinnbringend sein kann.

Ideal wäre natürlich, am Ende der Projektlaufzeit im Dezember 2023 ein konkretes Konzept und Handlungsempfehlungen für die Implementierung einer datenbasierten Unterstützung formuliert und entwickelt zu haben, die dann auch tatsächlich in der Hochschullehre zum Einsatz kommen könnten.

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