Projekttagebuch Nr. 3: Generative KI

KI:edu.nrw ist ein gemeinsames Projekt unter Konsortialführung der Ruhr-Universität Bochum (RUB) mit der RWTH Aachen sowie Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf unter dem Dach der Digitalen Hochschule NRW. Im Projekt sondiert ein interdisziplinäres Projektteam, unter welchen Voraussetzungen u. a. ein Einsatz von (KI-gestützten) Lerndatenanalysen (Learning Analytics) und generativen KI-Tools zu einer besseren Hochschullehre beitragen können.

Was ist ein Projekttagebuch?

In unseren Projekttagebüchern geben wir Einblick in den aktuellen Projektstand der verschiedenen Teilprojekte und Querschnittsthemen. Die Kernthemen der neuen Projektphase teilen sich auf in Generative Künstliche Intelligenz, Learning Analytics, Ethik, Studienberatung und AI Literacy. Das Teilprojekt Generative KI beschäftigt sich u. a. mit der Frage, wie diese Technologie an Hochschulen in NRW und darüber hinaus eingesetzt werden kann und welche technischen, didaktischen oder ethischen Rahmenbedingungen dabei zu berücksichtigen sind. Angesiedelt ist dieses Teilprojekt am Zentrum für Wissenschaftsdidaktik der RUB.

Das Teilprojekt Generative KI

In der aktuellen Ausgabe berichtet Nadine Lordick über ihre Arbeit im Projekt, spricht über den Stellenwert von KI für die Hochschulbildung und verrät uns ihre persönlichen Projekthighlights.

Nadine studierte Germanistik und Sozialwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum und war nach ihrem Studium wissenschaftliche Mitarbeiterin in der germanistischen Mediävistik am Lehrstuhl von Prof. Dr. Regina Toepfer zuerst an der TU Braunschweig, dann an der JMU Würzburg. Im März 2022 startete sie im Projekt KI:edu.nrw an der Ruhr-Universität Bochum, wo sie sich seitdem mit dem wissenschaftlichen Schreiben und ‚Künstlicher Intelligenz‘ beschäftigt.

Was ist deine Funktion im Projekt und was sind deine Aufgaben?

Ich berate Lehrende und Studierende an Hochschulen in ganz NRW und bisweilen auch darüber hinaus anderen Bundesländern zum Thema wissenschaftliches Schreiben mit generativen Sprachmodellen, also ChatGPT & Co. Mein Fokus liegt dabei vor allem darauf, Lehrenden und Lernenden Verschiedenes an die Hand zu geben, um für sich selbst die Entscheidung zu treffen, wann, wie und warum sie generative Modelle nutzen wollen. Das umfasst einige rechtliche Aspekte, z. B. zu Datenschutz und Urheber*innenschaft, technische Grundlagen, aber vor allem Überlegungen zum wissenschaftlichen Schreiben sowie ethische Aspekte. Es gibt nämlich gute und sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten, es kann aber auch sinnvoll sein, in bestimmten Situationen auf die Nutzung generativer Modelle zu verzichten.

Dein Teilprojekt ist generative KI, ein höchst aktuelles und dynamisches Themenfeld: Beeinflussen die rasanten Entwicklungen auf diesem Gebiet deine Arbeit im Projekt?

Es beeinflusst meine Arbeit viel weniger, als man vermuten könnte. Auch wenn die Modelle sich verändern, die Grundüberlegungen, die ich mit Lehrenden und Lernenden anstelle, bleiben eigentlich die gleichen: Was sind die Lernziele in einer Veranstaltung? Was habe ich davon, wenn ich selbst schreibe, und unter welchen Aspekten kann es sinnvoll sein, auch mal was an ein Modell auszulagern? Ich versuche auch, bestimmten Narrativen im Hype um ‚KI‘ ein wenig entgegenzutreten. Die Technologie wird als ‚disruptiv‘ bezeichnet und soll all unsere Schreibprozesse ändern. Ob das so ist, liegt auch in unserer Hand. In der Wissenschaft neigen wir allerdings dazu, uns schnell von Themenfeldern wie diesem zu distanzieren und das Ganze aus einer ‚neutralen‘ Brille anzuschauen. Dann kommen Aussagen wie: Die Technologie ist jetzt da und wird unser Schreiben verändern, so wie wir das historisch schon oft beobachten konnten. Aber wir sind in diesem Feld nicht nur Wissenschaftler*innen, die das Ganze aus der Distanz beobachten, sondern auch praktizierende Schreibende, und sollten insofern auch ein Mitspracherecht haben, wie und wofür wir diese Technologien beim Schreiben einsetzen wollen.

Warum ist es wichtig, dass es im Teilprojekt um generative KI geht und wie stehst du insgesamt zum Begriff KI?

Ich bin sehr happy darüber, dass ich durch das Projekt als Stimme in dem Diskurs um generative Modelle teilhaben kann. Was den Begriff angeht: Ich glaube, du merkst vielleicht schon an meinem Sprachgebrauch, dass ich den Ausdruck ‚Künstliche Intelligenz‘ vermeide. Das hat verschiedene Gründe. Einer der wichtigsten ist das Potenzial für Missverständnisse: Unter den Begriff ‚KI‘ fallen so viele unterschiedliche Systeme und Anwendungsbereiche, dass wir eigentlich immer spezifisch benennen müssen, wovon wir reden, bevor wir über die viel beschworenen ‚Chancen und Risiken‘ dieser Technologien sprechen können. Es gibt noch andere Aspekte, z. B. die Geschichte des Begriffs und auch Weltanschauungen, die damit verbunden sind, die man durchaus kritisch betrachten kann. Ich glaube, vielen ist das Problem bewusst, dass der Begriff durch Science Fiction und Marketingstrategien mit vielen Konnotationen aufgeladen ist, die einen realistischen Blick auf die Technologie manchmal erschweren können.

Was für Erkenntnisse konntest du in Phase zwei bisher sammeln? Konntest du auf deiner Arbeit aus der ersten Projektphase aufbauen?

Der Trubel um das Thema ‚generative KI‘ hat sich zum Glück etwas gelegt. Als es letztes Jahr so durch die Decke ging, hatten wir alle Hände voll zu tun und mussten auf ganz unterschiedliche Anfragen reagieren. Jetzt haben wir wieder mehr Spielraum, das Thema auch proaktiv anzugehen und zu überlegen, welche sinnvollen Angebote es geben kann, um Hochschulen NRW-weit und darüber hinaus zu unterstützen. Wir planen z. B. eine Schulung für Hochschuldidaktiker*innen, um diese zu befähigen, an ihren Hochschulen selbst Workshops zum Thema auszurichten.

In der ersten Projektphase hatten wir eine AG zum Begriff ‚Studienerfolg‘ – das war eine unheimlich wertvolle interdisziplinäre Zusammenarbeit, bei der wir uns damit auseinandergesetzt haben, wie unterschiedlich ‚Studienerfolg‘ eigentlich definiert sein kann, je nachdem, ob man aus Perspektive der Hochschule, der Politik oder der Studienberatung drauf schaut. Es war auch nicht immer einfach, die verschiedenen Positionen auszuhalten – aber wir haben uns dabei gegenseitig wirklich sensibilisiert. In der neuen Projektphase haben wir jetzt auch wieder eine AG – tatsächlich zum Begriff ‚Künstliche Intelligenz‘. Auch da werden wir viel voneinander lernen können. Es gibt z. B. einen Unterschied zwischen ‚Begriff‘ und ‚Ausdruck‘ – ich habe das bisher immer recht naiv benutzt – aber das könnte unsere RWTH Aachen-Kollegin Laura Platte aus der Mediendidaktik jetzt viel besser erklären! 😉

Gibt es Berührungspunkte mit anderen Teilprojekten? Welche konkreten Vorhaben gibt es mit anderen (Teil-)Projekten?

Durch die Treffen in der Gesamtprojektgruppe habe ich immer einen guten Überblick darüber, was in den verschiedenen Teilprojekten läuft. Eines unserer wichtigsten Standbeine ist z. B. die Öffentlichkeitsarbeit, die mit uns allen zusammenarbeitet und auch ganz viel dafür tut, dass unser Projekt als Ganzes wahrgenommen wird. Inhaltlich arbeite ich vor allem mit dem Teilprojekt Ethik, also besonders Christos Simis, zusammen, und mit Selina Müller vom Teilprojekt AI Literacy. Aber ich habe eigentlich nicht das Gefühl, dass ich mit den anderen Kolleg*innen weniger zu tun habe, weil wir so rege im Austausch sind. Demnächst kommen auch noch die Praxisprojekte hinzu, da wird es bestimmt auch neue Anknüpfungspunkte geben.

Wie kannst du mit deiner Arbeit im Projekt zu einer Veränderung im Umgang mit generativer KI an Hochschulen beitragen? Wie profitieren die Hochschulen im Land konkret von deiner Arbeit im Projekt?

Ich hoffe, dass ich in meiner Arbeit mit Lehrenden, Studierenden, Hochschuldidaktiker*innen und weiteren Akteur*innen in NRW gut vermitteln kann, dass es sich zwar so anfühlt, als wären wir mit ChatGPT vor vollendete Tatsachen gestellt worden, was das Schreiben in der Zukunft betrifft – aber dass wir bei all den Zwängen, die bestehen und sehr real sind, nicht vergessen sollten, dass wir als Schreibende  Mitgestaltungsspielräume haben und selbst entscheiden können, wofür wir solche Technologien nutzen wollen und wofür nicht. Denn: Für all die Annehmlichkeiten, die uns Tools wie ChatGPT, Bing, Copilot usw. bringen, geben wir auch immer etwas. Seien es Daten, Inhalte, Ressourcen oder Unabhängigkeit. Wir sollten uns darüber bewusst sein, wenn wir eine Entscheidung treffen – egal, wie diese dann am Ende ausfällt.

Was waren deine bisherigen Highlights in der zweiten Projektphase?

Bestimmt nennen hier viele Kolleg*innen die Learning AID, weil es auch wirklich eine tolle Tagung war, mit viel Gemeinschaftsgefühl und wenig Konkurrenz, anders als ich es schon auf anderen Tagungen erlebt habe. Besonders das Get-Together in der Roten Bete, der veganen Mensa hier an der RUB, war eins meiner Highlights (Anmerkung der Redaktion: Impressionen zur diesjährigen Learning AID gibt es hier zum Nachlesen). Aber auch, dass wir uns in der AG kritisch mit dem Begriff ‚Künstliche Intelligenz‘ befassen, ist für mich ein Highlight, denn ich glaube, dass wir in unserem Projekt viel Expertise und auch die Möglichkeit dazu haben, den Diskurs rund um ‚KI‘ mitzugestalten.

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